APHASIE

DEFINITION

Unter einer Aphasie versteht man eine zentral erworbene Sprachstörung, die durch hirnorganische Schädigung entsteht. Sie tritt nach dem abgeschlossenen Erwerb der Muttersprache auf, wobei alle Komponenten des Sprachsystems (Lautstruktur, Wortschatz, Satzbau, Bedeutungsinhalte) betroffen sein können. Somit erstrecken sich die Störungen auf alle expressiven und rezeptiven sprachlichen Ebenen (Sprechen, Verstehen, Lesen, Schreiben). Dabei können die einzelnen Ebenen in unterschiedlicher Ausprägung gestört sein.

URSACHEN

Schlaganfälle sind zu etwa 80 % die Ursache einer Aphasie. Aber auch Blutungen, Traumata und Hirntumore können eine Aphasie nach sich ziehen. Ebenso wurden bei Patienten mit degenerativen Hirnabbauprozessen (Demenz) eine Aphasie diagnostiziert.

LEITSYMPTOME

Eine Aphasie äußert sich bei jedem Menschen individuell verschieden, wobei die einzelnen Sprachebenen auf ganz unterschiedliche Weise betroffen sein können.

Dennoch werden in der Wissenschaft häufig vier Hauptformen einer Aphasie (Globale-, Broca-, Wernicke- und Amnestische Aphasie) in Abhängigkeit vom Auftreten bestimmter Symptome unterschieden.

Auch wenn dese in ihrer “reinen Form” in der Praxis eher selten auftreten, dient die Klassifikation gewiss zum besseren Verständnis von Aphasien und deren Symptome (siehe folgende Abbildung).

GLOBALE APHASIE 
– SCHWERSTE FORM DER APHASIE –

LEITSYMPTOM: SPRACHAUTOMATISMEN

  • fortlaufende sprachliche Äußerungen (Sprachautomatismen), die wiederholt ohne sprachliche Intention abgerufen werden
  • Schwer gestörtes Sprachverständnis – meist werden nur einzelne Wörter verstanden
  • Sprachproduktion:
    Einzelwörter, die oft neologistisch entstellt sind (Neuwortkreationen)
  • Starke Tendenz zu perseverieren (beharren)
  • Kommunikation kaum möglich, da alle sprachlichen Ebenen betroffen sind
    (Sprechen, Verstehen, Lesen, Schreiben)

WERNICKE APHASIE

LEITSYMPTOME:
PHONEMATISCHE UND/ODER SEMANTISCHE PARAPHASIE, NEOLOGISMEN, PARAGRAMMATISMUS

  • Veränderungen in der Bedeutung bzw. Lautstruktur von Wörtern (phonematische und/oder semantische Paraphasie),
    z. B. Tefelon statt Telefon oder Mutter statt Frau
  • sinnlose Aneinanderreihung von Wörtern, Redefloskeln und Wortneubildungen (Neologismen),
    z.B. “Ja , ka ur ein geomer, ein teomer vin annern eh”
  • Sprachproduktion: lange, oft in sich verschachtelte Sätze (Satzverschränkungen) oder Satzverdoppelungen (Paragrammatismus), z. B. “Ich weiß im Moment nicht sagen jetzt im Moment nicht”
  • Sprachverständnis erheblich beeinträchtigt
  • Kommunikation bei Wortneubildungen sehr schwer, sonst schwer bis mittelgradig gestört.

BROCA APHASIE

LEITSYMPTOM:
AGRAMMATISMUS BEI WEITGEHEND ERHALTENEM WORTVERSTÄNDNIS

  • telegrammstilartige Sprachproduktion (Agrammatismus),
    z.B. “Sohn … Schie … toch … äh … Sohn und … Schiebertochte”
  • Schwierigkeit, Gedanken sprachlich auszudrücken aufgrund von Wordfindungsstörungen
  • Sprachverständnis auch auf Satzebene vergleichsweise gering beeinträchtigt
  • Kommunikation aufgrund des eingeschränkten Redeflusses schwer bis mittelgradig gestört

AMNESTISCHE APHASIE

LEITSYMPTOM: WORTFINDUNGSSTÖRUNGEN

  • Wortfindungsstörungen in der Spontansprache
  • Flüssige Sprachproduktion, jedoch oft Umschreibungen oder Floskeln
  • Sprachverständnis nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt
  • Sprachliche Kommunikation leicht beeinträchtigt

MÖGLICHE BEGLEITSYMPTOME BEI APHASIE

  • Bei einer Schädigung des Gehirns sind in der Regel nicht nur die für die Sprache zuständigen Bereiche betroffen. Dann können unter anderem folgende Begleiterscheinungen und Störungen auftreten:
  • Halbseitenlähmung, Gesichtsfeldausfall und Krampfanfälle
  • Störungen der Körperwahrnehmung, der Sprechbewegungen (Dysarthrien) und der Bewegungskoordination (Sprechapraxien) – Konzentrations-, Merkfähigkeits- und Antriebsprobleme
  • Sowie Gefühlsschwankungen und Reizbarkeit

APHASIE BEI MEHRSPRACHIGKEIT

Zur Diagnose von Aphasien wird in der Regel der Aachener-Aphasie-Test (AAT) herangezogen.
Bei diesem speziell für die deutsche Sprache entwickeltem Verfahren werden, insbesondere durch das Testen der Spontansprache, alle sprachlichen Ebenen verlässlich überprüft.

Solche Verfahren kommen allerdings vor allem bei Mehrsprachigkeit an ihre Grenzen. Denn in den meisten Fällen sind die vom Patienten beherrschten Sprachen unterschiedlich stark geschädigt und die Rückbildung der Aphasie in einer Sprache kann schneller vonstatten gehen als in der anderen.
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THERAPIE

Die Therapie von Aphasiepatienten zielt im Wesentlichen darauf ab, alle seine kommunikativen Möglichkeiten auszuschöpfen um weiterhin am sozialen Leben teilzunehmen. Den Patienten auf diesem Weg hilfreich zu begleiten ist unsere Verpflichtung.

Wieweit eine Aphasie durch eine Sprachtherapie gebessert oder geheilt werden kann, hängt jedoch von den Beeinträchtigungen der einzelnen Sprachebenen (Sprechen, Verstehen, Lesen, Schreiben) ab. Wichtig ist, wie motiviert der Patient selber an seiner Rehabilitation mitarbeitet und dabei auch von seiner Familie unterstützt wird.

Insgesamt kann eine Aphasietherapie von mehreren Monaten bis hin zu mehreren Jahren dauern. Dabei ist es wichtig, jeweils realistische Ziele zu stecken und Therapiefortschritte durch Tests sichtbar und vergleichbar zu machen.

 

LITERATUR

BÜCHER

  • Grohnfeldt, M. (2001): Lehrbuch der Sprachheilpädagogik und Logopädie, Band 2 – Erscheinungsformen und Störungsbilder
  • Siegmüller, J. und Bartels, H. (2006): Leitfaden – Sprache, Sprechen, Stimme, Schlucken

BROSCHÜRE

  • Claudia Krämer (1999): Aphasie – eine Informationsbroschüre der Deutsche Gesellschaft für Sprachheilpädagogik (dgs)

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