DYSARTHRIE UND DYSARTHROPHONIE

DEFINITION

Dysarthrien und Dysarthrophonien sind gekennzeichnet durch Beeinträchtigungen des Sprechens aufgrund einer Störung der Sprechmotorik.
Damit sind Vorgänge der Atmung, der Artikulation und der Stimmgebung gemeint, d.h. die am Sprechen beteiligte Muskulatur ist in ihrer Koordination gestört.Im Gegensatz zur Aphasie ist dabei das eigentliche Sprachsystem (Sprachverständnis, Grammatik, Wortschatz, Lesen, Schreiben, etc.) nicht gestört.

Wenn dabei lediglich die Artikulation betroffen ist, spricht man von Dysarthrie.

Wenn zusätzlich noch die Stimme, Sprechmelodie und die Atmung betroffen sind, spricht man von Dysarthrophonie.

FUNKTIONSWEISE DES SPRECHENS

Das Sprechen ist also ein komplexes Zusammenspiel von Bewegungen, wobei insbesondere folgende Funktionsbereiche koordiniert werden müssen: Atmung Stimmgebung Artikulation An diesem Zusammenspiel sind die Muskelgruppen des ganzen Körpers beteiligt. Die zentrale Steuerung übernimmt dabei das Gehirn. Die Stimme wird im Kehlkopfbereich erzeugt. Innerhalb des Kehlkopfes befinden sich die Stimmlippen. Die Funktionsweise des Sprechens soll im Folgenden kurz veranschaulicht werden.

1.

Bevor die Stimme erzeugt wird, muss zunächst Luft eingeatmet werden.
Die Stimmlippen sind demnach bei der Atmung geöffnet.

Atemstellung der Stimmlippen

2.

Nach der Einatmung werden die Stimmlippen geschlossen. Danach erfolgt die Stimmgebung mit Hilfe der eingeatmeten Luft.
Durch den Ausatemstrom werden die aneinander liegenden Stimmlippen in Schwingung versetzt. Dabei werden unterschiedliche Töne produziert.

3.

Diese Töne werden anschließend durch die Sprechwerkzeugen (Zunge, Lippen. Kiefer, Gaumensegel) geformt.
Je nachdem, welche Buchstaben wir aussprechen, begeben sich unsere Sprechwerkzeuge in verschiedene Positionen. Wir sprechen von Artikulation.

Vollständiger Stimmlippenschluss bei der Stimmbildung

Abbildungsnachweise:
Dysarthrie und Dysarthrophonie – eine Informationsbroschüre der Deutsche Gesellschaft für Sprachheilpädagogik, S. 5

URSACHEN

Bei einer Dysarthrie bzw. Dysarthrophonie handelt es sich um eine neurologisch bedingte Sprechstörung, wovon jeder Mensch in jedem Alter betroffen sein kann. Sie kann entweder aus einem einmaligen Ereignis resultieren, etwa als Folge eines Schädel-Hirn-Traumas, oder im Rahmen einer fortschreitenden Erkrankung auftreten, z.B. bei Multiple Sklerose. Im Wesentlichen können folgende Ursachen eine Dysarthrie bzw. Dysarthrophonie auslösen:

  • frühkindliche Hirnschädigungen,
  • Schlaganfälle,
  • Syndromerkrankungen,
  • Schädel-Hirn-Trauma,
  • Gehirntumor,
  • fortschreitende Erkrankungen des Nervensystems (Parkinson-Krankheit, Multiple Sklerose, etc.).

SYMPTOME

Je nach Ausprägung der Schädigung im Gehirn können sehr unterschiedliche Symptome resultieren. Das Auftreten der in der folgenden Abbildung dargestellten möglichen Symptome ist individuell verschieden. Sie können allein oder in unterschiedlicher Kombination auftreten.

DYSARTHRIE / DYSARTHROPHONIE

Störung der Atmung

SYMPTOME

  • erhöhte Einatmungshäufigkeit
  • angestrengte Einatmung
  • lange Atempausen
  • Überziehen der Atmung

Störung der Stimmgebung

SYMPTOME

  • veränderte Tonhöhe oder Lautstärke
  • veränderte Stimmqualität (rau, gepresst, heiser)
  • Schwankungen von Tonhöhe oder Lautstärke

Störung der Stimmgebung

SYMPTOME

  • veränderte Vokalartikulation
  • veränderte Konsonantenartikulation
  • nasale Artikulation

Störung der Sprechmelodie

SYMPTOME

  • verlangsamtes oder beschleunigtes Sprechen
  • monotones Sprechen
  • Sprechpausen, Dehnungen, Fehlbetonungen

[Eigene Darstellung]

THERAPIE

In Abhängigkeit der Ursache und des Schweregrades der Störung wird die Therapie den Wünschen der Patienten entsprechend gestaltet. Primäres Ziel dabei ist immer die Verbesserung der selbständigen Kommunikationsfähigkeit. Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft die Therapieziele in Abhängigkeit der Ursache und des Schweregrades.

Ursache

Schweregrad

Therapieziel

Einmaliges Ereignis (z.B. leichte Lähmung infolge eines Schlaganfalls)

leichte Störung

Annäherung an den ursprünglichen Zustand

Fortschreitende Erkrankung (z.B. Multiple Sklerose)

schwere Störung

Möglichst optimale Kompensation und Nutzung der noch bestehenden Kommunikationsmöglichkeiten

Störung seit dem frühen Kindesalter (z.B. frühkindliche Hirnschädigungen)

sehr schwere Störung

Förderung der Sprachentwicklung durch Erwerb des Laut- und/oder eines anderen Kommunikations-systems

[Eigene Darstellung]

LITERATUR

BÜCHER:

  • Grohnfeldt, M. (2001): Lehrbuch der Sprachheilpädagogik und Logopädie, Band 2 – Erscheinungsformen und Störungsbilder
  • Siegmüller, J. und Bartels, H. (2006): Leitfaden – Sprache, Sprechen, Stimme, Schlucken

BROSCHÜRE:

  • Berndt, A. / Mefferd, A.: Dysarthrie – Ein Ratgeber für Angehörige